Lanzarote Ironman – “Sterben muss doch einfacher gehen“.
Lanzarote Ironman – “Sterben muss doch einfacher gehen“.

Lanzarote Ironman – “Sterben muss doch einfacher gehen“.

Eines vorneweg: Ich liebe diesen Sport, wirklich, aber am Abend des 21.05.22 auf der Liege im Zielbereich denke ich „Sterben muss doch einfacher gehen“.

Mein Freund Micha hat mir am Anfang meiner Triathlonlaufbahn das Sinnbild des Kuchens für die zur Verfügung stehende Kraft mit auf den Weg gegeben. Du hast genau einen Kuchen für die drei Disziplinen und je nachdem wieviel du dir für eine Disziplin abschneidest bleibt umso weniger für die anderen beiden übrig.

07:10 Uhr: Daniela, meine Frau und Trainerin, und ich stürzen uns mit 1249 anderen in den Atlantik. Vor zwei Tagen beim Probeschwimmen im glasklaren, ruhigen Wasser konnten wir unglaublich viele Fische beobachten, sogar ein bestimmt 2 Meter großer Rochen glitt majestätisch unter uns durch, es war unglaublich. Jetzt sind die Bedingungen andere, das Wasser ist kabbelig, von vielen Schwimmern aufgewühlt und ich versuche dran zu bleiben, anstatt die Natur zu beobachten. Nach knapp 1:19h erreiche ich den Austieg, das ist langsamer als ich mir vorgestellt habe, doch hinter der ersten Disziplin ist der Haken.

08:19 Uhr: 500m lange Wechselzone, Rad finden, schieben und an der Zeitnahmematte auf´s Rad springen.

08:26 Uhr: Jetzt hoch zur Weinstraße La Geria kämpfen, das hat es in sich – Gegenwind und Höhenmeter sorgen dafür dass ich immer 250W treten muss, soviel wollte und kann ich nicht auf Dauer investieren. Oben angekommen geht die Post ab – mit über 78km/h die Weinstraße wieder hinab Richtung Yaiza und dann weiter nach Playa Blanca – das Rad läuft klasse. 

09:51 Uhr: Wende in Playa Blanca und nun kommt der härtste Teil – über Yaiza, Timanfaya Nationalpark, Teguise, Radarstation und Haria zum Mirador del Rio immer gegen den erbarmungslosen Nordostwind und die meisten der mehr als 2500m Höhenmeter. Die Strecke gehört nur uns Ironmännern und -frauen, kein Auto weit und breit, wir ziehen durch die Lavafelder dieser traumhaften Insel und können unseren Gedanken nachgehen. Bei mir: Habe ich genug trainiert, wie geht es Daniela auf der Strecke, trete ich zu viele Watt, wieviel Kraft (Kuchen) bleibt mir noch, war der IM Lanzarote als erste Langdistanz nach 16 Jahren eine gute Idee? Und immer wieder – Wie atemberaubend diese Landschaft!

13:10 Uhr: Am Mirador die Kehre, nun kommt die Belohnung bergab und Rückenwind, über Arieta, Teseguite, Teguise wieder zur Weinstraße, dann noch eine 5Km lange Wendestrecke Richtung Tinajo, hier tut es richtig weh, nicht nur das Sitzfleisch nach 160km, sondern nochmal gegen den Wind, puh, geschafft – zurück zur Weinstraße und ins Ziel der Radstrecke bergab „rollen“.

15:33 Uhr: Schuhe aus, vom Rad springen, schieben bis zum Stellplatz – wo ist der? Da! – ab ins Wechselzelt. Für die Laufschuhe habe ich extra einen Schuhanzieher in den Wechselbeutel gepackt, aber es klappt diesmal unfallfrei ohne diesen. Schnell die Laufkappe auf (ich möchte mir nicht die Glatze komplett verbrennen) und locker ins Laufen kommen.

15:40 Uhr: Nun kommt es darauf an, wieviel Kuchen schon gegessen ist. Es ist heiß, sehr heiß, kein Schatten weit und breit, nur die rotgebrannten Touristen in den Bars und Cafés entlang der Strecke sitzen schattig und genießen ein, oder mehrere kühle Getränke, es kommt „well done“ oder „great job“ – am Anfang lächle ich zurück und zeige den Daumen hoch, aber später (überall muss ich 6x vorbei) schaffe ich das nicht mehr. Meine Wahrnehmung verschiebt sich – es gibt keine Zuschauer mehr, nur noch das Zwiegespräch in meinem Kopf – A: Du kannst nicht mehr, geh doch ein Stück spazieren. B: Komm bleib dran, einen 6er Schnitt schaffst du noch. A: Na siehst du, damit erreichst du sowieso keinen Marathon unter 4 Stunden, dann kannst du auch wandern. B: Trinke genug, steck dir noch etwas Eis in den Einteiler, damit du nicht überhitzt und lauf konstant weiter.

19:45 Uhr Ich weiß nicht wie, aber B hat sich ohne restlichen Kuchen auf der Haben-Seite durchgesetzt. Der Zielstrich, ich reiße die Arme hoch und sacke dahinter zusammen, ab auf die Liege und Augen zu.

Fazit: Es war eine Grenzerfahrung, der Kampf mit den Elementen und dem eigenen Körper, am Ende total kaputt, aber auch auf der Wolke schwebend – weiß der Himmel was der Körper da an Substanzen ausschüttet.

Daniela und ich waren 2 von nur 895 Finishern im Ziel, die diese Challenge gemeistert haben.

Es war das bisher härteste was wir im Triathlon bewältigt haben. Und ja, mit eine paar Tagen Abstand – es war großartig!